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Welche Erfahrungen machen andere Staaten mit der Bodensteuer?

Eine ganze Reihe von Staaten kennt die Grundsteuer als Bodensteuer, so etwa Dänemark, Hongkong, Litauen, Estland sowie Teile der USA, von Australien und Neuseeland. Trotz teils vorhandener Schwächen bei den realisierten Regelungen ziehen die betreffenden Volkswirtschaften bzw. die dortigen Kommunen aus der Bodensteuer einen erheblichen Nutzen, und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der genannten Staaten erklärt sich zu einem guten Teil ebenfalls daraus (reduzierte Kapitalbindung im Boden, meist niedrigere Steuern auf Kapital und Arbeit, dadurch verbesserte Bodenallokation und angeregte Investitionstätigkeit etc.).

Sollten nicht Eigentümer wertvollerer Häuser stärker zur Gemeindefinanzierung herangezogen werden als andere?

Wertunterschiede zwischen Grundstücken und Werterhöhungen im Laufe der Zeit sind in der Regel vorrangig dem Anteil Bodenwert, weniger dem Anteil Gebäudewert zuzurechnen. Somit führt insbesondere die ausschließliche Berücksichtigung der Bodenwerte als Bemessungsgrundlage der Grundsteuer zu einem höheren Maß an sozialer Gerechtigkeit (zumal die Bodenwerte ganz wesentlich nicht von den Eigentümern, sondern von der Gemeinde „geschaffen“ werden; diese Bodenwerte zu besteuern lässt sich viel leichter rechtfertigen als eine Besteuerung privater Investitionen). Außerdem dürfte eine starke Korrelation bestehen zwischen wertvolleren Häusern und hohen Bodenwerten: Lagewerte bestimmen die Mieten und damit die Ertragswerte (und die Ausstattungsstandards und -erwartungen) wesentlich mit, und auch bei selbst genutztem Eigentum dürfte diese Korrelation in der Regel bestehen („teure“ Villa in bevorzugter Lage). Und schließlich dürften wertvollere Häuser wohl grundsätzlich eher ein Fall für eine Vermögensteuer sein, sofern man eine solche politisch anstrebt. Deutlich wird hier: Grundsteuer- und Vermögensteuerüberlegungen sollten nicht vermischt werden! Denn Grundstücke sind zwar Vermögen, aber die Grundsteuer ist weder eine Vermögensteuer noch ein für sie tauglicher Ersatz; dafür fällt sie viel zu niedrig aus und ist als Realsteuer auch nicht als eine solche gedacht (anders als eine Vermögensteuer kennt die Grundsteuer beispielsweise weder personenbedingte Freibeträge noch Abzugsmöglichkeiten). Siehe auch die Antwort auf Frage Nr. 3.

Können Investitionen nicht besser durch Subventionen wie bspw. Zuschüsse und Kreditverbilligungen der KfW-Bank befördert werden?

Die staatliche finanzielle Förderung ist natürlich hilfreich und wichtig, keine Frage. Sie hat aber auch ihre Grenzen. Die Anzahl von mit KfW-Mitteln geförderten Wohneinheiten (Bestandsbauten) lag in den letzten drei Jahren (2012 bis 2014) bei durchschnittlich rd. 250.000 pro Jahr. Dafür stellte der Bund Haushaltsmittel für Zuschüsse und Zinsvergünstigen von um die 700.000 bis 800.000 Mio. Euro pro Jahr zur Verfügung (im Durchschnitt also gerade mal 3.000 Euro pro Wohneinheit). Das Zusagevolumen, also Kreditvolumen inkl. Förderung, summierte sich auf rd. 4 Mrd. Euro pro Jahr (16.000 Euro pro WE). Ein Vergleich der Anzahl geförderter Wohneinheiten mit dem Gesamtwohnungsbestand in Deutschland (41 Mio. WE) zeigt, dass es auf dem zitierten Förderniveau rd. 160 Jahre bräuchte, um jede Wohneinheit nur wenigstens einmal „anzufassen“. (Wobei unter den 250.000 Fällen und bei 16.000 Euro pro Fall, zzgl. Eigenkapital vielleicht 20.000 Euro, natürlich viele Teilsanierungen, also im Grunde genommen „unfertige“ Sanierungen enthalten sind.) Damit dürfte klar sein, dass die staatliche Förderung nur eines von vielen Anreizmitteln sein kann und dass weitere, vor allem breitenwirksamere Anreize für Investitionen benötigt werden. Im Übrigen stiege die jährliche Grundsteuerlast nach Sanierung – bei einer künftigen Orientierung der Grundsteuer an Gebäudewerten, wir bleiben bei der o.g. Durchschnittsförderung – aufgrund der getätigten Investition und der daraus sich ergebenden Wertsteigerung um immerhin 20 Euro (= 0,1% von 20.000 Euro Gesamtinvestitionssumme; die durchschnittliche Grundsteuerlast beträgt grob in etwa 0,1% vom Gesamtgrundstückswert). Bei umfassenderen Investitionen können daraus schnell 100 Euro Zusatzbelastung und mehr werden (jährlich wiederkehrend!). Eine als Bodensteuer ausgestaltete Grundsteuer bliebe hier gänzlich unverändert und erzeugt, kostenfrei für den Staat, einen eigenen Druck auf Modernisierung und Instandhaltung.

Kann die kommunale Planung nicht besser durch ordnungsrechtliche Maßnahmen wie bspw. Baugebote, Enteignungen oder Leerstandsabgaben verwirklicht werden?

Die genannten ordnungsrechtlichen Maßnahmen stehen den Kommunen grundsätzlich schon heute zur Verfügung, spielen aber in der Praxis kaum eine Rolle und werden wohl auch künftig nicht an Bedeutung gewinnen. Sie taugen auch nicht für eine breite Anwendung, sondern sind für Ausnahmefälle gedacht, und sie sind streitanfällig.

Konterkariert die Herausnahme des Gebäudes aus der Bemessungsgrundlage nicht die Idee, die Grundsteuer am Verkehrswert eines Grundstücks zu orientieren? Schließlich fiele ja ein wesentlicher Wertbestandteil sozusagen unter den Tisch!

In Deutschland bestehen massive Unterschiede im Immobilienpreisniveau: In Köthen (Sachsen-Anhalt) bspw. wurde für eine Eigentumswohnung pro Quadratmeter im Durchschnitt 660 Euro bezahlt, in München 3.580 Euro und in Hamburg bis zu 7.280 Euro (Spitzenwerte, siehe Spiegel-Online vom 2. Mai 2011). Allerdings sind diese massiven Differenzen nicht primär auf Unterschiede bei den Gebäudewerten zurückzuführen. Sie ergeben sich vielmehr aus unterschiedlichen Bodenwerten. Das aufstehende Gebäude ist nämlich letztlich „nur“ ein Konglomerat aus Mörtel, Stahl, Holz und Steinen. Diese Materialien (wie auch die Arbeitsleistung, die diese zusammenfügt) sind grundsätzlich reproduzierbar und austauschbar. Die allgemeinen Preisunterschiede zwischen Köthen und München (z.B. beim Einkauf in einem Baumarkt) können den Unterschied im Immobilienpreisniveau (München: das 5,5-fache von Köthen) nicht erklären. Das Baumaterial und die notwendige Arbeitskraft könnte auch in München grundsätzlich aus anderen Orten beschafft und die notwendigen Gebäude errichtet werden. Entwicklung und Niveau der Verkehrswerte haben daher wenig mit dem Gebäude zu tun, sondern sind letztlich auf die Knappheit von Grund und Boden zurückzuführen.
Zwar ist es richtig, dass wertvolle Gebäude zumeist auf wertvolleren Grundstücken errichtet werden und umgekehrt. Der Grundstückswert hängt aber von der Ertragsfähigkeit des Bodens, der sog. „Bodenrente“, ab. Sie resultiert im Wesentlichen aus der Lage des Grundstücks, der möglichen Intensität (Höhe, Dichte) seiner Bebauung und seiner Nutzungsart (Wohnen, Mischnutzung, gewerbliche Nutzung etc.). Wo die potentiellen Grundstückserträge relativ hoch sind, können diese Erträge nur mit entsprechend aufwändiger und intensiver Bebauung realisiert werden (soweit dies die Planung zulässt). Sieht die Planung in der Mitte einer Großstadt die Bebaubarkeit mit einem Hochhaus vor, würde ein Bauherr auf einen Großteil der möglichen Erträge verzichten, wenn er beispielsweise nur ein zweigeschossiges Haus baut. Auch daher ist die Einbeziehung der (tatsächlichen) Bebauung in die Bemessungsgrundlage der Grundsteuer überflüssig, die Bodenwerte reichen aus. Dies umso mehr, als dass die Grundsteuer mit ihren geringen Steuersätzen ohnehin nur einen äußerst geringen Teil des potentiellen Grundstücksertrages besteuert (die Grundsteuer liegt überschlägig berechnet im Durchschnitt im einstelligen Promillebereich des Verkehrswertes einer Immobilie). Mit anderen Worten: Die aufwändige Erfassung von Gebäude(verkehrs)werten ist schon rein praktisch betrachtet unnötig. Als Bemessungsgrundlage für eine verkehrswertorientierte Besteuerung im Rahmen der „Grundsteuer“ (Name!) werden die Gebäudewerte nicht gebraucht.

Was spricht aus Sicht der Kommunalfinanzen für eine rein bodenbasierte Grundsteuer?

Obwohl es sich bei der Grundsteuer um eine Objektsteuer handelt, soll sie sich auch an der Leistungsfähigkeit orientieren. Diese steigt, wenn der Grundstückseigentümer Leistungen der Kommune erhält (wie v.a. Schaffung von Baurecht und entsprechend möglicher Ausnutzbarkeit, Bereitstellung öffentlicher Infrastruktur und öffentlicher Dienste). Ein Grundstückseigentümer empfängt die Vorteile unabhängig davon, ob und in welcher Weise ein Grundstück überbaut wird. Die Nutzenvorteile der kommunalen Leistungen spiegeln sich daher nur im Bodenwert wider, nicht hingegen im Gebäudewert. Daher kann sich die rechtsdogmatisch überwiegend herangezogene Begründung der Grundsteuer mit dem Äquivalenzprinzip nur auf den Bodenwert beziehen. Nach dem Äquivalenzprinzip soll durch die Steuer eben ein Ausgleich für die Vorteile erfolgen, die der Grundstückseigentümer durch Leistungen der Kommune erhält (im Sinne eines „Grundtarifs“). Bebaut er sein Grundstück, so ist dies umgekehrt seine Leistung und nicht die der Kommune, so dass eine Besteuerung des Gebäudeanteils auf Grundlage des Äquivalenzprinzips nicht gerechtfertigt ist. Kommunale Leistungen bzw. Leistungsanteile, die von der Intensität der Gebäudenutzung (Anzahl Haushalte, Bewohner, Arbeitsplätze etc.) abhängen, werden zweckmäßigerweise über Gebühren in Rechnung gestellt („Verbrauchstarife“).

Dürfen wir unter Würdigung der Rechtstradition bei der Grundsteuer einfach auf die Besteuerung des Gebäudes verzichten?

Neue gesellschaftliche Herausforderungen und neue Daueraufgaben verlangen nach neuen gesetzgeberischen Antworten. Ein Festhalten an der alten Rechtstradition der Grundsteuer als einer Steuer auf Boden und Gebäude ist nicht mehr zeitgemäß. Das Bundesverfassungsgericht betont regelmäßig den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Die obersten Gerichte haben in der Vergangenheit zu Recht den Einheitswert kritisiert und eine am Verkehrswert orientierte Bewertung gefordert (zur Frage des Verkehrswertes siehe auch die Antwort auf Frage Nr. 20). Das heißt aber keineswegs, dass der Gesetzgeber bei der Grundsteuer an einer verbundenen Bemessungsgrundlage festhalten muss und bedeutet in Folge, dass eine rein bodenbasierte Grundsteuer (unverbundene Bemessungsgrundlage) verfassungsgemäß begründet und ausgestaltet werden kann. Das Grundgesetz schreibt weder die Erhebung bestimmter Steuern noch gar bestimmte Bemessungsgrundlagen vor. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 GG) und die daraus abgeleiteten, steuerrechtlichen Verfassungsmaßstäbe Realitätsgerechtigkeit, Folgerichtigkeit und Leistungsfähigkeit (Leistungskraft) ließen sich mit der Bodensteuer tadellos einhalten.

Gehören Boden und Gebäude nicht untrennbar zusammen?

Im Rechtsverkehr werden Grundstücke und Aufbauten (als wesentliche Grundstücksbestandteile) als Einheit gesehen. Immobilien werden i.d.R. auch als Einheit gehandelt und auch so bewertet. Die sachgerechte Trennung von Boden- und Gebäudeanteil war bislang kein vorrangiges Ziel der standardisierten Bewertungsverfahren (auch nicht des Ertragswertverfahrens, obwohl dieses eine getrennte Behandlung vorsieht). Somit hat sich leider die verbundene Bemessungsgrundlage in den Köpfen festgesetzt. Das muss aber nicht so sein: Bei dem sich in jüngster Zeit wieder steigender Beliebtheit erfreuenden Erbbaurecht wird klar unterschieden zwischen Boden und Gebäude; entsprechend gibt es einen Erbbaurechtgeber (Bodeneigentümer) und Erbbaurechtnehmer (Hauseigentümer). Die aufgrund eines Erbbaurechtvertrages gebildeten, voneinander getrennten Boden- und Erbbaugrundstücke werden im Grundbuch getrennt geführt und können unabhängig voneinander verkauft und belastet werden.

Wie gelangt man zu den Bodenwerten?

Die Bodenwerte können über die von den Gutachterausschüssen ohnehin festgestellten Bodenrichtwerte gut erfasst werden. Der Bodenrichtwert ist ein durchschnittlicher Lagewert, der aus den Kaufpreisen von Grundstücken unter Berücksichtigung ihres Entwicklungszustandes ermittelt wird. Selbstverständlich sind Bodenrichtwerte nicht immer mit den individuellen Verkehrswerten der jeweiligen Grundstücke identisch. Das ist aber unproblematisch: Steuerrecht ist Massenfallrecht. Gewisse Unschärfen durch Typisierungen sind unvermeidbar und können in Kauf genommen werden. (Siehe auch die Antwort auf Frage Nr. 12.)